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Digitalisierung

Die Ausweitung der Digitalisierung spielt aktuell in der Pflegepraxis als Maßnahme der Organisationsentwicklung keine bedeutende Rolle. Bei der Diskussion um einen zunehmenden Einsatz digitaler Anwendungen stehen häufig Befürchtungen im Mittelpunkt, dass menschliche Pflege von entmenschlichter Technik übernommen wird und somit der Mensch zunehmend überflüssig wird. Digitalisierung kann aber, wenn sie ziel­gerichtet eingesetzt wird, patientenferne Tätigkeiten erleichtern, um wieder mehr Zeit für zwischenmenschliche Interaktion zu schaffen. Damit die vielfältigen Möglichkeiten der Digitalisierung optimal genutzt werden, ist eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Thema notwendig. [1], [2]

Die Arbeitswelt und somit auch die Pflege befinden sich in einem stetigen Wandlungsprozess: Die Vielfalt sowohl unter den Mitarbeitenden als auch unter den Nutzenden von Pflegeleistungen nimmt stetig zu. Damit gehen auch unterschiedliche Ansprüche an die eigene Arbeit und an die Pflegeleistungen einher. Die Gesellschaft wird immer älter, Krankheitsbilder und Problemlagen werden immer komplexer. Es bedarf der Expertise aus unterschiedlichen Fachgebieten, um dieser Vielschichtigkeit gerecht zu werden. Gleichzeitig wird die Pflege mit einem immer knapperen Arbeitskräfteangebot konfrontiert und wird in Zukunft stärker global vernetzt arbeiten.[3]

Diese Trends werden mit dem Konzept „Arbeit 4.0“ beschrieben, welches eine Strategie für den Umgang mit den zukünftigen Herausforderungen Digitalisierung, Globalisierung, demografischer Wandel und Arbeitskräfteangebot sowie kultureller Wandel beinhaltet. Mehr zum Thema Arbeit 4.0 finden Sie hier.

Digitalisierung erweist sich dabei als ein Baustein, um  Fachkräfte bei patientenfernen Tätigkeiten zu unterstützen und zu entlasten, multiprofessionelle Zusammenarbeit zu erleichtern und den sich wandelnden Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten sowie Pflegebedürftigen gerecht zu werden. Einerseits geht es darum, bereits bestehende Arbeits- und Organisationsprozesse durch digitale Anwendungen zu verbessern, andererseits werden neue digitale Anwendungsmöglichkeiten entwickelt, wie beispielsweise die Telepflege. Dabei müssen Fragen geklärt werden, welche Potenziale, aber auch Gefahren mit der Digitalisierung verbunden sind, wie mit den digital gewonnenen Daten umgegangen werden soll und wie diese Daten sinnvoll für die Organisations- oder Personalentwicklung eingesetzt werden können.[1]

 

Quelle: Evans, Hielscher & Voss (2018) [3]

Potenziale von Digitalisierung
für die Praxis

Mit der digitalen Transformation verändern sich auch die Anforderungen an Führungskräfte in erheblichem Maße, indem Führungsaufgaben wie beispielsweise

  • Information,
  • Planung,
  • Organisation oder
  • Kontrolle

durch digitale Tools vereinfacht werden können. Zeitgleich entstehen völlig neue Bedarfe und Aufgabenfelder. Um die Führungsrolle im Sinne eines „Digital Leadership“ auszufüllen, bedarf es zunächst der Veränderungsbereitschaft und das Verständnis darüber, welche Potenziale mit zunehmender Digitalisierung verbunden sind.[4]

Voraussetzungen

Um die vielfältigen Potenziale auszuschöpfen, sind Führungskräfte neben ihrer Fach- und Methodenkompetenz als „Change Agents“ insbesondere auch in ihren Schlüsselkompetenzen gefordert.

Diese werden für die Erarbeitung und Anwendung einer digitalen Strategie benötigt. Zudem sind für eine gelingende Umsetzung diverse Voraussetzung zu schaffen.[5]

Handlungs-
empfehlung

Um das Potenzial der Digitalisierung voll auszuschöpfen, bedarf es unterschiedlicher aufeinander abgestimmter Entscheidungen und Maßnahmen für eine umfassende digitale Transformation. Diese beinhalten u. a. die generelle Haltung zur stärkeren digitalen Vernetzung und zur datengestützten organisationalen Weiterentwicklung sowie die Auswahl und Qualifizierung von Personal im Hinblick auf digitale Kompetenzen.

ANwendungsbeispiel

Wenn Sie beispielsweise eine neue Dienstplan- oder eine neue Dokumentationssoftware anschaffen wollen, stellen sich dabei unterschiedliche Fragen, unter anderem, nach welchen Kriterien Sie diese auswählen. Das folgende Ablaufschema soll eine Hilfestellung bei der Auswahl einer passenden Software bieten, damit diese auch tatsächlich einen Mehrwert für die Prozessgestaltung liefert.

1. Hypothesen aufstellen

Welche Fragen wollen wir anhand der eigenen Daten beantworten?
Zum Beispiel:

  • Dienstplan: Gibt es an bestimmten Tagen/auf bestimmten Stationen/bei bestimmten Diensten gehäuft Krankheitsausfälle?
  • Dokumentation: Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Länge des Erholungsurlaubs und Krankheitsausfällen?  Oder: Besteht ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Stürzen und der Personalausstattung?

2. Auswahlkriterien festlegen

  • Welche Daten möchten wir erfassen?
  • Was genau möchten wir mit den erfassten Daten machen?

Zum Beispiel:

  • Dienstplan: Personalplanung anpassen oder Dienstplanung anpassen im Sinne einer Work-Life-Balance
  • Dokumentation: Versorgung optimieren

3. Hersteller vergleichen

Welche Fragen habe ich an den Hersteller bzw. was möchten wir vergleichen?
Zum Beispiel:

  • In welchem (Daten-)Format bekommen wir die Daten?
    • Häufigkeiten, Verlaufskurven, Skalierungsniveaus etc.
    • Als Excel-Datei
    • Als Word-Datei
  • Werden die gewünschten Daten oder Parameter in der Dienstplan-/Dokumentationssoftware erfasst?
    Zum Beispiel:

    • Dienstplanung: Krankheitsausfälle, Wiedereingliederung, Teamzusammensetzungen in Bezug auf Expertise etc.
    • Dokumentation: Unterschiedliche Patientenmerkmale (herausforderndes Verhalten, Pflegebedarfe etc.), Beschwerden von Mitarbeitenden etc.

4. Kompetenten Umgang sicherstellen

  • Sind die entsprechenden Kompetenzen im Umgang mit der Software vorhanden?
  • Wer kann bei der Auswahl einer Anwendung, bei der Einführung und bei der Anwendung unterstützen?

5. Leistungsgeschehen optimieren

Wie können wir die erfassten Daten für die Weiterentwicklung der Organisation von Abläufen und des Leistungsgeschehens nutzen?

Zum Beispiel:

  • Dienstplanung: Belegungsmanagement, Ausfallmanagement, betriebliches Gesundheitsmanagement etc.
  • Dokumentation: Bildungsprogramme, multiprofessionelle Zusammenarbeit, Optimierung von Prozessen etc.

Projektbezogene
publikationEN

Riedlinger, I.; Reiber, K.; Planer, K. (2021):
Pflege 4.0 – die unentdeckten Chancen für Wissenschaft und Praxis.
In: Friese, M. (Hg.): Care Work 4.0. Digitalisierung in der beruflichen & akademischen Bildung für personenbezogene Dienstleistungsberufe.
Bielefeld: WBV Media, S. 105–117.

Mohr, J.; Riedlinger, I.; Reiber, K. (2020):
Die Bedeutung der Digitalisierung in der Neuausrichtung der pflegerischen Ausbildung – Herausforderungen für die berufliche Pflege im Kontext der Fachkräftesicherung.
In: Wittmann, E.; Frommberger, D.; Weyland, U. (Hg.): Jahrbuch der berufs- und wirtschaftspädagogischen Forschung 2020.
Opladen: Barbara Budrich, S. 165–182.

Reiber, K.; Riedlinger, I.; Mohr, J. (2020): Die Bedeutung der Digitalisierung für Berufliche Bildung und Fachkräftesicherung in der Pflege.
In: berufsbildung, 181, S. 23–25.

Weiterführende
Informationen

Literatur

Evans, M.; Hielscher, V.; Voss, D. (2018):
Damit Arbeit 4.0 in der Pflege ankommt. Wie Technik die Pflege stärken kann.
Policy Brief, Nr. 004.
Hans-Böckler-Stiftung.

Fuchs-Frohhofen, P.; Blume, A.; Ciesinger, K.; Gessenich, H.; Hülsken-Giesler, M.; Isfort, M.; Jungtäubl, M.; Kocks, A.; Patz, M.; Weihrich, M. (2018):
Memorandum „Arbeit und Technik 4.0 in der professionellen Pflege“.
http://www.memorandum-pflegearbeit-und-technik.de/memorandum.html

Kuhn, S.; Ammann, D.; Cichon, I.; Ehlers, J.; Guttormsen, S.; Hülsken-Giesler, M.; Kaap-Fröhlich, S.; Kickbusch, I.; Pelikan, J.; Reiber, K.; Ritschl, H.; Wildbacher, I. (2019):
Wie revolutioniert die digitale Transformation die Bildung der Berufe im Gesundheitswesen?
careum working paper 8.

Linksammlung

FINSOZ e. V.
Fachverband Informationstechnologie
in Sozialwirtschaft und Sozialverwaltung (o. J.):
Initiative Pflege – Forderungen an (politische) Entscheider*innen.
Berlin: FINSOZ e. V.

Rösler, U.; Schmidt, K.; Merda, M.; Meizer, M. (2018):
Digitalisierung in der Pflege. Wie intelligente Technologien die Arbeit professionell Pflegender verändern.
Berlin: Geschäftsstelle der Initiative Qualität der Arbeit. Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (o. J.):
Arbeiten 4.0.
Berlin: Bundesministerium für Arbeit und Soziales.

Praxisprojekt

care pioneers GmbH (o. J.):
Ein Beispiel für Telepflege Niedersachsen.
Oldenburg: care pioneers GmbH.

Literaturangaben

[1] Klauber, J.; Geraedts, M.; Friedrich, J.; Wasem, J. (2019):
Krankenhaus-Report 2019- Das digitale Krankenhaus.
Berlin, Heidelberg: Springer.

[2] Kubek, V.; Velten, S.; Eiderdanz, F.; Blaudszun-Lahm, A. (2020):
Digitalisierung in der Pflege. Zur Unterstützung einer besseren Arbeitsorganisation.
Berlin: Springer Vieweg.

[3] Tiemann, M.; Mohokum, M. (2021):
Prävention und Gesundheitsförderung.
Berlin: Springer.

[4] Evans, M.; Hielscher, V.; Voss, D. (2018):
Damit Arbeit 4.0 in der Pflege ankommt. Wie Technik die Pflege stärken kann.
Policy Brief, Nr. 004. Hans-Böckler-Stiftung.

[5] Creusen, U.; Gall, B.; Hackl, O. (2017):
Digital Leadership. Führung in Zeiten des digitalen Wandels.
Wiesbaden: Springer Gabler.