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Berufsausübung
und Berufsverbleib

Dem Lohn der Pflegekräfte wird in der gesellschaftlichen Diskussion eine wichtige Rolle zugeschrieben, um u. a. die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen und Pflegekräfte im Beruf zu halten. Teilweise wird auch die These vertreten, der Lohn sei in diesem Zusammenhang die wichtigste Größe.

Unsere Ergebnisse zeigen: Je nachdem, welche Entscheidung im Berufsleben ansteht, spielt der Lohn mal eine große, mal eine kleinere Rolle. Lohnerhöhungen sollten daher immer als ein Baustein begriffen werden, der zusammen mit der Verbesserung anderer Arbeitsbedingungen eingesetzt werden sollte.

Die Tarifbindung in der Altenpflege und der ambulanten Pflege mit 44 bzw. 39 % ist dabei deutlich geringer als in der Akutpflege (dort 87 %) [1]. Hinzu kommt, dass Pfleger*innen nur unterdurchschnittlich häufig Mitglied in einer Gewerkschaft sind, die ihren Forderungen mehr Nachdruck verleihen könnte.[2] [3] [4]

 

Zentrale Projektergebnisse:
Berufsausübung

  • Höhere Löhne erhöhen die Attraktivität der Arbeitsstelle in der Pflege aus Sicht von Pflegefachkräften (siehe Abbildung).
  • Aus Sicht der Pflegefachkräfte  ist der Lohn allerdings im Gegensatz zu anderen Arbeitsbedingungen nicht der zentrale Faktor, um die Attraktivität einer Pflegestelle zu beeinflussen. Vielmehr rangiert er in seiner Bedeutung eher am unteren Ende (siehe Abbildung). Wichtig dabei: Dies bezieht sich nur auf die Entscheidung, welche Arbeitsstelle innerhalb der Pflege angenommen werden soll, nicht auf die grundsätzliche Entscheidung, ob man einen Pflegeberuf ergreifen oder im Pflegeberuf verbleiben möchte.
  • Als wichtigster Faktor stellt sich dafür aus Sicht der Pflegefachkräfte ein herzliches Team dar. Sollte das Team weniger herzlich sein, müsste man den Pflegefachkräften einen um 46 % höheren Lohn bezahlen, um sie dafür zu kompensieren.
  • Ebenfalls hohe Kompensationszahlungen wären erforderlich, wenn Pflegefachkräften nur wenig Zeit für Patient*innen und Pflegebedürftige zur Verfügung stünde (im Gegensatz zu viel Zeit).
  • Insgesamt stehen „weiche“ Faktoren eher oben auf der Wunschliste der Pflegefachkräfte. „Harte“ Aspekte wie der Umfang der Arbeitszeit, das pflegerische Setting oder eben der Lohn rangieren dagegen am unteren Ende.
  • Eine Ausnahme davon bilden unbefristete Arbeitsverträge, die an dritter Stelle in der Prioritätenliste der Pflegefachkräfte stehen.
  • Einrichtungen haben demnach einige Stellschrauben, mit denen sie die Attraktivität ihrer Arbeitsstellen verbessern können:
    • das Team,
    • die Zeit für Patienten und Pflegebdürftige,
    • die Laufzeit von Arbeitsverträgen,,
    • die Dienstplangestaltung,
    • die Autonomie von Pflegekräften und Arbeitsgestaltung und
    • Arbeitszeitmodelle.

Erfahren Sie auf dieser Seite mithilfe der Themenbereiche Organisationsentwicklung und Arbeitsgestaltung mehr.

Abbildung: Erforderliche Lohnerhöhung zur Kompensation
weniger gewünschter Arbeitsbedingungen
(in Prozent)

Information zur Abbildung

Erläuterung: */**/*** signifikant auf dem 10/5/1 %-Niveau.

Lesebeispiel: Um Pflegekräfte dafür zu entschädigen, dass sie in einer bestimmten Arbeitsstelle bei ansonsten gleichen Arbeitsbedingungen wenig anstelle von viel Zeit für Patient*innen und Pflegebedürftige haben, müsste ihnen in dieser Arbeitsstelle 39 % mehr Lohn bezahlt werden. Nur dann bewerten Pflegekräfte diese beiden Stellenkonstellationen als gleich attraktiv.

Quelle: Vignettenbefragung von Pflegefachkräften, IAW.

Zentrale Projektergebnisse:
Berufsverbleib

  • Für die Wahrscheinlichkeit, den Pflegeberuf zu verlassen, spielt der Lohn eine Rolle (siehe Abbildung). Befindet sich eine Pflegekraft beispielsweise im zweiten Lohnquartil statt im ersten, d.h. liegt ihr Verdienst nicht unter den geringsten 25 % der Verdienste, sondern unter den 25 % bis 50 % geringsten, so fällt ihre Wahrscheinlichkeit, den Pflegeberuf zu verlassen, bereits um den Faktor 0,63 geringer aus. Bei den Pflegekräften, die zu den 50 % bzw. 25 % am besten verdienenden Pflegekräften gehören, sinkt die Wahrscheinlichkeit für einen Berufsausstieg gar um den Faktor 0,37 gegenüber denjenigen Pflegekräften, die zu den 25 % am schlechtesten Verdienenden gehören.
  • Seltenere Berufsausstiege zeigen sich u. a. bei Frauen, die Teilzeit statt Vollzeit arbeiten und/oder die Kinder haben (mehr zur Vereinbarkeit von Familie und Pflegeberuf finden Sie auf der Seite Work-Life-Balance, bei Berufsanfängern und größeren Einrichtungen.
  • Dagegen verlassen Pflegekräfte unteranderem den Beruf umso häufiger, je bewegter das Erwerbsleben von Pflegekräften ist, das heißt, je häufiger sie in der Vergangenheit z. B. die Stelle gewechselt haben, arbeitslos waren oder sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befanden. Möglicherweise benötigen diese Personen eine besondere Betreuung, um Ausstiege aus dem Beruf zu verhindern.
  • Der Lohn scheint demnach insbesondere dann eine Bedeutung zu bekommen, wenn es um die Frage des Einstiegs in bzw. Ausstiegs aus dem Beruf geht. Er kann demnach dazu benutzt werden, Pflegekräfte ins System zu bringen und dort zu halten. Zu einer Weiterentwicklung der Attraktivität des Pflegeberufs im engeren Sinne trägt er allerdings nur wenig bei.

Abbildung: Einfluss auf Wahrscheinlichkeit
den Pflegeberuf zu verlassen (als Faktor)

Information zur Abbildung

Erläuterung: */**/*** signifikant auf dem 10/5/1 %-Niveau.
Basiskategorien: Lohn: 1. Quartil. Alter: 18-30 Jahre. Geschlecht und VZ/TZ: männlich, VZ. Berufe: Altenpfleger*in. Einrichtungen: Krankenhäuser und Kliniken. Mitarbeiter*innen: weniger als 20 Mitarbeitende;.Vorherige Erfahrung: mindestens drei Jahre in der Pflege, keine Arbeitslosigkeit, keine andere Berufserfahrung in den letzten sechs Jahren. Beschäftigungsepisoden: eine Episode.

Lesebeispiel: Das Risiko des Berufsausstiegs einer Pflegekraft in Einrichtungen mit 200 oder mehr Mitarbeitenden fällt nur 0,71 mal so hoch aus wie das einer vergleichbaren Pflegekraft in einer kleineren Einrichtung mit unter 20 Mitarbeitenden.

Quelle: Stichprobe der Integrierten Arbeitsmarktbiografien des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Schätzung des IAW.

Handlungsempfehlungen
und -beispiele

  • Die Werbetrommel rühren: Vermitteln Sie der Politik und der Öffentlichkeit die Botschaft, dass höhere Löhne die Attraktivität von Arbeitsstellen in der Pflege stärken und die Häufigkeit reduzieren, dass Pflegekräfte ihren Beruf verlassen.
    • Nutzen Sie dazu öffentlichkeitswirksame Aktionen, die möglichst auch von pflegeexternen Akteuren wahrgenommen werden.
    • Nutzen Sie dazu gegebenenfalls auch Ihre Präsenz in den sozialen Medien.

– Arbeitgeberverbände; Einrichtungen; Gewerkschaften; Politik; Pfleger*innen –

  • Löhne von Pflegekräften erhöhen: Lohnerhöhungen tragen u. a. dazu bei, die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen und Berufsausstiege zu verringern. Diese Forderung richtet sich natürlich in erster Linie an die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter und u. U. an die Politik. Aber auch einzelne Einrichtungen und Pfleger*innen können dazu beitragen. Vertrauen Sie nicht darauf, dass andere Ihre Probleme lösen.
    • Weiten Sie die Tarifverträge in der Altenpflege und der ambulanten Pflege aus.
    • Prüfen Sie, ob Sie Kosten für höhere Löhne und bessere Leistungen an die Pflegebedürftigen und im Zweifel an die Gesellschaft (Hilfe zur Pflege) weitergeben können. Eine Leistung ist auch in der solidarischen Gesellschaft zu vergüten – und wenn es politischer Wille ist, auch von den Leistungsempfängern.
    • Stärken Sie die gewerkschaftliche Organisation der Pflegekräfte, weisen sie (stärker) auf die Vorteile einer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft hin, etwa auf die größere Verhandlungsmacht einer Gemeinschaft.
    • Werden Sie Mitglied einer Gewerkschaft und geben Sie damit der Pflege eine hörbare Stimme. Dadurch wird mittelfristig auch die Situation der Patientinnen und Patienten und der Pflegebedürftigen verbessert. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege betreffen diese ebenfalls. Es ist legitim, für seine Interessen einzustehen; ein hohes Berufsethos darf nicht zur Selbstaufgabe führen.
    • Beteiligen Sie sich an weiteren Aktionen für die Pflege oder initiieren Sie selbst welche. Anregungen hierzu finden Sie unten auf dieser Seite sowie auf der Seite Interessenvertretung.

– Arbeitgeberverbände; Einrichtungen; Gewerkschaften; Politik; Pfleger*innen –

 

  • Verbesserungen der anderen Arbeitsbedingungen jenseits des Lohnes anstoßen: Unsere Ergebnisse zeigen, dass Lohnerhöhungen ein wichtiger Baustein sind, wenn es darum geht, Fachkräfte für den Beruf zu gewinnen und die Ausstiege zu verringern. Was Pflegekräfte sich allerdings zwischen verschiedenen Arbeitsstellen in der Pflege entscheiden müssen, spielt der Lohn dagegen eine eher geringe Rolle. Dann geht es vielmehr darum, z. B. dass die Pflegekräften mehr Zeit für die Patienten und Pflegebedürftigen haben (siehe erste Abbildung). Anregungen zu diesem und anderen Punkten finden Sie auf den Seiten der anderen Themenschwerpunkte.

-– Arbeitgeberverbände; Einrichtungen; Gewerkschaften; Politik; Pfleger*innen –

Projektbezogene
Publikationen

Kroczek, M. (2021):
Analyzing Nurses‘ Decisions to Leave Their Profession – a Duration Analysis
IAW Discussions Papers No. 136.

Höld,J.; Späth, J.; Kricheldorff, C. (2020):
What makes them happy? Professional care-givers’ job satisfaction.
Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie 53, 655–662.

Kroczek, M.; Späth, J. (2020):
The Attractiveness of Jobs in the German Care Sector – Results of a Factorial Survey.
IAW Discussions Papers No. 134.

Weiterführende
Informationen

Gewerkschaftlicher Organisationsgrad von Pflegekräften und Fachkräften in Deutschland

Pflegekräfte sind in Deutschland nur unterdurchschnittlich häufig Mitglied einer Gewerkschaft: 12 % der Pflegekräfte (2013), 20 % der Ärzte (2007) und 21,5 % der Fachkräfte aller Branchen (2012) sind Gewerkschaftsmitglied.[2] [3] [4]  Ärztinnen und Ärzte sind also fast doppelt so oft Mitglied wie Pflegekräfte.

Auch wenn die Rahmenbedingungen zwischen den Berufen und die Werte zur gewerkschaftlichen Organisation aufgrund unterschiedlicher Bezugsjahre nicht exakt vergleichbar sind, zeigen sie doch: In Deutschland gibt es bei der gewerkschaftlichen Organisation der Pflegekräfte noch „Luft nach oben‟. Übrigens: Sogar der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rief auf dem Deutschen Pflegetag die Pflegekräfte dazu auf, ihre Interessen gemeinschaftlich durchzusetzen: https://www.tagesschau.de/inland/pflegetag-politik-101.html (abgerufen am 3.11.2021).

Wie ist es mit Ihnen als Pflegekraft? Sind Sie Mitglied in einer Gewerkschaft?


 

Gewerkschaftliche Aktionen und Anlaufstellen für die Pflege

Weitere Aktionen für die Pflege

Weiterführende und vertiefende Informationen zu Walk of Care, Pflegerebellion und Pflege am Boden finden Sie auf dieser Seite gesammelt im Bereich Intereressensvertretung unter Wo kann ich mich engagieren?

In vielen Städten gibt es Pflegestammtische? Googeln Sie doch einmal „Pflegestammtisch“ und Ihre Stadt. Vielleicht gibt es auch einen in Ihrer Nähe?

Literaturangaben

[1] Bispinck, R.; Dribbusch, H.; Öz, F.; Stoll, E. (2013):
Einkommens- und Arbeitsbedingungen in Pflegeberufen: Eine Analyse auf Basis der WSI-Lohnspiegel-Datenbank.
Arbeitspapier Nr. 21. WSI in der Hans-Böckler-Stiftung.

[2] Schroeder, W. (2017):
Kollektives Beschäftigtenhandeln in der Altenpflege.
FF Forschungsförderung: Nr. 373. Hans-Böckler-Stiftung.

[3] Greef, S. (2014):
Gewerkschaften im Spiegel von Zahlen, Daten und Fakten.
In: W. Schroeder (Hg.), Handbuch Gewerkschaften in Deutschland (2. Aufl., S. 657–755). Springer VS.

[4] Von Winter, T.; Willems, U. (Eds.) (2007):
Interessenverbände in Deutschland.
VS Verlag für Sozialwissenschaften.